Dabei kann die Entscheidung des EuGH vom 14. Mai 2019 herangezogen werden, welche besagt, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Zeiterfassung einzurichten. Diese Grundsätze wurden noch nicht in nationales Recht umgesetzt.
Das LAG Hamm erkennt in einer aktuellen Entscheidung vom 27.07.2021, 7 TaBV 79/20, ein Initiativrecht des Betriebsrates zur Einführung einer elektronischen Zeiterfassung ausdrücklich an.
Nach Auffassung des Gerichts ergibt sich dies aus einem Vergleich der einzelnen Mitbestimmungstatbestände des § 87 Abs. 1 BetrVG. Während der Betriebsrat beispielsweise im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG nur bei der „Form, Ausgestaltung und Verwaltung“ von Sozialeinrichtungen mitzubestimmen habe, umfasse das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ausdrücklich auch die „Einführung“ technischer Einrichtungen. Aufgrund dieser Formulierung könne der Betriebsrat initiativ verlangen, dass der Arbeitgeber über die Einführung eines elektronisches Zeiterfassungssystem verhandele. Damit können Betriebsräte von nun an vom Arbeitgeber die Zeiterfassung erzwingen.
Nach § 615 S. 1 BGB kann der zum Dienstverpflichtete die vereinbarte Vergütung ohne Pflicht zur Nachleistung verlangen, sofern der Dienstberechtigte mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug gerät. Nach § 615 S. 3 BGB gilt dies auch, wenn der Arbeitgeber das Risiko das Arbeitsausfalls trägt.
Zunächst zur Frage des Betriebsrisikos nach § 615 S. 3 BGB:
Das Gesetz selbst macht keine näheren Angaben zur Frage, wann den Arbeitgeber das Betriebsrisiko trifft, jedoch trägt dieser nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grds. das volle Betriebsrisiko; er muss den Betrieb organisieren, die Erträge beziehen und die Verantwortung dafür tragen. Im Falle einer Betriebsstörung ist unerheblich, ob diese auf ein persönliches oder sachliches Versagen des Betriebes oder auf externe Umstände, z.B. Naturkatastrophen zurückzuführen ist. Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer in solchen Fällen Anspruch auf sein Gehalt, eine Ausnahme hiervon bildet lediglich das Wegerisiko, welches der Arbeitnehmer zu tragen hat.
Diese Grundsätze des Betriebsrisikos sind auch in Zeiten der Corona-Pandemie anwendbar, wenn Ladengeschäfte aufgrund behördlicher Anordnung geschlossen sind. Dies gilt unabhängig davon, ob die Schließung in der Eigenart des Betriebs liegt oder eine generelle Betriebsschließung angeordnet wird. Irrelevant ist demnach, ob die Lage oder die betriebliche Ausstattung Ursache für die Schließung ist. Ausgenommen von der Pflicht zur Lohnfortzahlung sind lediglich Fälle, in denen die Zahlung die Existenz des Betriebs gefährden würde.
In § 615 S. 1 BGB sieht das Gesetz einen weiteren Fall vor – es spricht vom Annahmeverzug der Arbeitsleistung durch den Dienstberechtigten. Diese Terminologie ist problematisch im Hinblick auf die Abgrenzung zur rechtlichen Unmöglichkeit. Sofern die Arbeitsleistung kalendarisch terminiert ist, ist sie nicht mehr nachholbar; die nachgeholte Leistung wäre nicht mehr dieselbe. Der Begriff der Annahmeunmöglichkeit wäre insofern zutreffender.
Auf ein tatsächliches Angebot der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer nach § 296 BGB kann bei einer Betriebsschließung durch den Arbeitgeber verzichtet werden. Alle Fälle, in denen der Arbeitgeber die Arbeitsmittel aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht zur Verfügung stellen kann und somit die Arbeitsleistung nicht annehmen kann oder will, sind von der Regelung des § 615 S. 1 BGB erfasst. Der Arbeitgeber trägt auch hier das volle Betriebsrisiko und muss zahlen!
Quelle: Landesarbeitsgericht Niedersachsen 11. Kammer, Urteil vom 23.03.2021, 11 Sa 1062/20
Sollten Sie betroffen sein beraten unsere Anwälte für Arbeitsrecht in München Sie gerne.