Der Fall
Im vom LAG Thüringen zu entscheidenden Fall war die Klägerin und Arbeitnehmerin langjährig bei einem Arbeitsamt (später: Bundesagentur für Arbeit) beschäftigt und seit 2016 dem Jobcenter des Landkreises B zugewiesen.
Im Jobcenter galt eine Dienstvereinbarung „zur Flexibilisierung der Arbeitszeit“. Diese sah vor, dass für alle Mitarbeiter Arbeitszeitkonten geführt werden und die Arbeitszeit von den Arbeitnehmern bei jedem Betreten oder Verlassen des Dienstgebäudes zu erfassen ist. Dies galt laut Dienstvereinbarung auch für das Erfassen von Pausen (Raucherpausen, Pausen in der Kantine, sowie in den Sozialräumen oder am Arbeitsplatz). Am 26.02.2018 wurde die Arbeitnehmerin hierüber durch ihre Teamleiterin belehrt, was sie mit ihrer Unterschrift bestätigte.
Anfang Januar 2019 erkannte die Vorgesetzte der Arbeitnehmerin Unregelmäßigkeiten bei den Arbeitszeitbuchungen der Arbeitnehmerin. Anhand der Buchungen mit der Dienstkarte am Personaleingang konnte festgestellt werden, dass die Arbeitnehmerin in den Tagen der Untersuchung (zweite bis vierte Januarwoche) teilweise keine einzige Pause gebucht, sondern lediglich Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit vermerkt hatte, obwohl sie das Dienstgebäude bis zu sechs Mal am Tag verlassen hatte.
Darauf angesprochen hat die Klägerin zugegeben, die Raucherpausen nicht erfasst zu haben. Diese benötige sie als nikotinabhängige Raucherin allerdings auch. In Zukunft wolle sie nun alle Raucherpausen eintragen.
Die Arbeitgeberin kündigte der Arbeitnehmerin daraufhin fristlos, hilfsweise fristgerecht.
Einordnung des Gerichts
Wie auch das erstinstanzliche Arbeitsgericht Suhl erklärte das LAG Thüringen die außerordentliche Kündigung für unwirksam, die ordentliche Kündigung jedoch für wirksam.
Ein Arbeitszeitbetrug, bei dem ein Arbeitnehmer vortäuscht, für einen näher genannten Zeitraum seine Arbeitsleistung erbracht zu haben, obwohl dies tatsächlich nicht oder nicht in vollem Umfang der Fall ist, stelle eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung dar und erfülle an sich den Tatbestand des wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB. Eine außerordentliche Kündigung wäre hier also grundsätzlich möglich. Dabei komme es auch nicht auf die strafrechtliche Würdigung, sondern auf den mit der Pflichtverletzung der korrekten Arbeitszeiterfassung verbundenen schweren Vertrauensbruch an.
Eine außerordentliche Kündigung sah das Arbeitsgericht im vorliegenden Fall allerdings als unverhältnismäßig an, da es der Arbeitgeberin wegen der von der Arbeitnehmerin gezeigten Einsicht in ihre Verfehlungen nicht unzumutbar gewesen sei, die Kündigungsfrist einzuhalten.
Die ordentliche Kündigung ist laut LAG Thüringen hingegen in diesem Fall auch ohne vorherige Mahnung wirksam, da der Klägerin durchaus bewusst war, dass sie Unrecht begeht und sie mit Blick auf den nicht unerheblichen Vermögensschaden und die strafrechtliche Relevanz des Arbeitszeitbetrugs davon ausgehen konnte, dass die Arbeitgeberin dies nicht hinnimmt und ihr kündigen werde. Anders wäre dies höchstens dann zu beurteilen, wenn die Verstöße vereinzelt über einen längeren Zeitraum verstreut gewesen wären, so bei einem früheren Urteil des LAG Hamm (LAG Hamm – Urt. v. 17.3.2011 – 8 Sa 1854/10).
Hinweise für die Praxis
Die unterlassene Aufzeichnung von Pausen bei einer vereinbarten Arbeitszeiterfassung stellt zumindest bei größerem Ausmaß einen Arbeitszeitbetrug dar, der neben strafrechtlichen Folgen auch zu einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung führen kann.
Daran ändert sich auch nichts, wenn „wilde Raucherpausen“ im Betrieb so üblich sein sollten oder eine Nikotinsucht besteht.
In jedem Fall empfiehlt sich, klare Absprachen mit dem Arbeitgeber zu treffen und bei entsprechender Anweisung auch kleinere Pausen im Rahmen einer Zeiterfassung festzuhalten.